Man erlebt es ehr selten, dass in einer Strafverhandlung mit drei Angeklagten alle drei freigesprochen werden. So aber geschehen vor dem Amtsgericht Bamberg. Ausgangspunkt war eine LKW- fahrt morgens gegen 4.00 Uhr in Kemmern anläßlich der Fischkerwa 2011.
Der erste Angeklagte war der LKW-fahrer, der die Ausrüstung einer Musikband abtransportieren sollte. Die beiden Mitangeklagten fuhren jeweils mit ihren PKWs hinter dem LKW her. Aus Ortsunkenntnis fuhr der LKW-fahrer mit seinem Fahrzeug (Höhe ca. 3,90 m) in eine Engstelle. Nach seiner Darstellung rief er über handy seine Kollegen aus den PKWs um Hilfe, da sich die Dachrinne eines Anwesens seinem LKW schon bedrohlich „angenähert“ hatte. Aufgrund der Lautstärke des betagten LKWs, dessen „Ruckeln und Schaukeln’s“ und aufgrund eines lautstärkebedingten Ohrenpfeifens nahm der LKW-fahrer einen Anstoß an der Dachrinne des besagten Anwesens nicht wahr. Die herbeigerufenen Einweiser konnten von unten aus die Dachrinne in einer Höhe von ca. vier Metern nur undeutlich wahrnehmen. Schäden an der Dachrinne oder dem LKW konnte keiner der Beteiligten erkennen. Also bugsierte man den LKW aus der Engstelle heraus und fuhr nach Hause.
Allerdings hatten zwei zufällig anwesende Polizeibeamte, welche sich privat auf der Fischkerwa aufhielten, die Sache etwas anders beobachtet. Beide wollten einen dumpfen Schlag gehört haben, den beide als „typisches Aufprallgeräusch“ beschrieben. Erst nach dieser akustischen Wahrnehmung drehte sich der eine Beamte in Richtung des Geräusches um, während der andere die Situation beiläufig aus den Augenwinkeln beobachtet hatte. Beide bestätigten, dass zwei Personen aus einem PKW zum LKW liefen, aus welchem auch der Fahrer ausgestiegen war. Da alle Personen nach oben zur Dachrinne blickten gingen die“ Beamten in Privat“ davon aus, dass sich die Personen bei dem Eigentümer des Hauses melden würden. Vorsorglich notierten sie noch die Autonummer des LKWs.
Es kam was kommen mußte. Der LKW-fahrer wurde schließlich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort angeklagt ( § 142 StGB). Seine „Einweiser“ hatten bei ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben, daß der LKW-fahrer die Dachrinne nicht berührt hatte. Einer meinte sogar, er könne einen solchen Anstoß mit Sicherheit ausschließen. Allerdings war die Dachrinne um rund 5 cm in ihren Halterungen verschoben worden; deweitern war ein Plastikteil gebrochen. Der an der Dachrinne festgestellte Schaden belief sich auf etwa 325 €. Die beiden „Einweiser“ hatten daher eine Anklage wegen versuchter Strafvereitelung ( § 258 StGB ) am Hals.
Nach mehr als dreieinhalbstündiger Verhandlung erklärte die vorsitzende Richterin, daß sie von einem Anstoß des LKWs an der Dachrinne ausgehe. Sie war allerdings davon überszeugt, daß der LKW-fahrer den Anstoß nicht wahrgenommen und damit einen Unfall nicht bemerkt hatte. Wenn die drei Angeklagten nach oben zur Dachrinne geschaut hätten, könne dies seinen Grund auch darin haben, daß man eine (noch nicht gegebene) Berührung habe vermeiden wollen. Jedenfalls könne man den Angeklagten nicht nachweisen, daß sie einen (schon eingetretenen) Schaden an der Dachrinne hätten feststellen wollen oder dass sie einen solchen hätten erkennen können. Dies sei Nachts im Dunkeln angesicht der Höhe der Dachrinne trotz der verwendeten Taschenlampe nachvollziehbar.
Damit fielen alle Anklagen in sich zusammen. Der Fahrer hatte den Unfall nicht bemerkt, was zur Überzeugung des Gerichts feststand. Dieser konnte sich somit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht schuldig gemacht haben. Die „Einweiser“ hatten einen möglichen Schaden, der ja vor dem Aussteigen aus dem PKW entstanden sein musste, ebenfalls nicht bemerkt und mussten daher auch nicht von einer rechtswidrigen Tat des LKW-fahrers in Form einer Unfallflucht ausgehen. Somit konnten sie auch keine Strafvereitelung versucht haben. Den freigesprochenen Angeklagten war ihre Erleichterung sichtliche anzumerken ( den Verteidigern allerdings ebenso).